Am Samstag, den 27. April 2024, trafen sich im Radisson Blu Hamburg Vertreterinnen und Vertreter von rund zehn im Leistungssport aktiven Hamburger Vereinen mit dem Leistungssportpersonal des HLV zur HLV-Leistungssportkonferenz. Insgesamt fünf Stunden diskutierten die Anwesenden über die Förderstrukturen in der Hamburger Leichtathletik, tauschten Erfahrungen aus und benannten Verbesserungspotentiale und Bedürfnisse, die in das Leistungssportkonzept 2025-2028 einfließen sollen.
Impulsvortrag von Idriss Gonschinska
Auch dabei: Der DLV-Vorstandsvorsitzende Idriss Gonschinska. Er hielt zum Auftakt einen Impulsvortrag, in dem er unter anderem auf seine Zeit als Trainer zurückblickte und verdeutlichte: Training muss stets individuell auf den jeweiligen Athleten und die jeweilige Athletin abgestimmt sein. Gonschinska machte zudem Mut und betonte, dass die größten Erfolge oft auf Misserfolge folgten und dass jedes vermeintliche Hindernis auch eine Chance darstelle.
Dies untermauerte der Sportwissenschaftler mit aktuellen Forschungsergebnissen. Demnach ist Erfolg im Jugendalter ein deutlich geringerer Garant für Erfolge im Erwachsenenalter als gemeinhin angenommen. Vielmehr liege der Verdacht nahe, dass erfolgreiche Erwachsenen-Sportler:innen und erfolgreiche Jugend-Athlet:innen zwei unterschiedliche Gruppen seien. Aber: Es gäbe sowohl Beispiele für herausragende Spätentwickler:innen als auch für Spitzenathlet:innen, die eine geradezu lineare Karriere vorweisen können. Die Herausforderung für Vereine und Verbände sei es, beide Athlet:innentypen zu finden und zu fördern. Dies stelle neue Anforderungen an Kader- und Sichtungsstrukturen und lade dazu ein, stärker darüber nachzudenken, wie es gelingen kann, dass Leistungssportler:innen in ihrer Jugend mehrere Sportarten ergänzend zueinander betreiben. Denn: Auch bei Spätentwickler:innen seien umfassende Bewegungserfahrungen und Herausforderungen in der Kindheit und Jugend die Regel.
Rückblick auf erfolgreiche vier Jahre
Im Anschluss an die durchaus lebhaft diskutierte Einführung von Idriss Gonschinska präsentierte der Leitende Landestrainer des HLV, Jann Folkers, einen Rückblick auf das Leistungssportkonzept 2020-2024. Zu den darin verankerten Zielen gehörte unter anderem ein Mehr an Top-3- und Top-8-Platzierungen bei Deutschen Meisterschaften sowie ein Plus bei den Kaderathlet:innen. Dies sei – abgesehen von einer pandemiebedingten Delle – gelungen. Einzelne Athlet:innen wie Lucas Ansah- Peprah, Owen Ansah, Mika Sosna, Louise Wieland und Manuel Mordi sowie Josie Krone und Simon Plitzko sorgten darüber hinaus für nationale und sogar internationale Ausrufezeichen.
Mit 60 neuen C-Trainerinnen und -Trainern Leistungssport sowie sechs Trainer:innen in der A-Trainer-Ausbildung des DLV und zweien im Diplomtrainer-Studium wurden zudem im Bereich der Trainerqualifikation Grundsteine für künftige Erfolge gelegt. Im Bereich der Sportstätteninfrastruktur kann der Verband auf Modernisierungen in der Leichtathletikhalle, der Jahnkampfbahn und weiterer Anlagen verweisen. Gleichwohl besteht hier noch immer ein großer Nutzungsdruck, insbesondere auf die Jahnkampfbahn und die Leichtathletikhalle – zum Teil auch bedingt dadurch, dass weitere Sportarten und weitere Nutzer:innen die Anlagen ebenfalls nutzen. Aber auch der Mangel an alternativen leichtathletischen Sportflächen und Hallenzeiten verstärkt diesen Nutzungsdruck.
Ausblick auf die kommenden Jahre
Der HLV-Vizepräsident Leistungssport und Lehre, Ingo Schultz, blickte gemeinsam mit Jann Folkers auch nach vorne. So ist verbandsseitig geplant, die Schwerpunktlegung auf die Disziplinblöcke Sprint und Sprung fortzusetzen, aber auch die Angebote im Lauf und Wurf zu intensivieren. Gerade auch im Feld der Trainerqualifikation und -gewinnung werden weitere Schwerpunkte gesehen. Um die schwierige Finanzierung von Trainerstellen zu erleichtern, soll auch über Mischfinanzierungen nachgedacht werden. Großes Ziel ist weiterhin, dass die Freie und Hansestadt Hamburg die Leichtathletik als Schwerpunktsportart definiert. Aktuell ist die Leichtathletik nur in der punktuellen
Förderung, was Nachteile beim Zugang zu finanziellen Mitteln und OSP-Ressourcen mit sich bringt.
Vereine sehen Bedarf in Trainerfortbildung und Service-Angeboten
Im dritten Teil der Veranstaltung ging es vor allem darum, die Bedürfnisse der Vereine zu erfassen. Dabei wurde deutlich, dass viele Vereine an der Grenze ihrer Auslastung operieren, da es zunehmend schwerfällt, ehrenamtliches, aber zum Teil sogar hauptamtliches Personal zu finden und zu motivieren. Dies erschwert auch die Abstimmung von Verbands- und Vereinsangeboten aufeinander, beispielsweise erkennbar an unterschiedlichen Positionen dazu, wann Trainerfortbildungen oder Kaderangebote stattfinden sollen – am Wochenende oder unter der Woche. Hier wird es auch in Zukunft schwer werden, für alle Beteiligten passende Lösungen zu finden.
Auch unter dem Eindruck des Impulsvortrags von Idriss Gonschinska wurde dabei die Frage in den Raum geworfen, wie es gelingen kann, mehr Athletinnen und Athleten und ihren Trainer:innen, unabhängig vom Disziplinschwerpunkt und bestenfalls sogar unterhalb der Kaderschwelle, Zugang zu Service-Angeboten des Verbandes und der Landestrainer:innen zu ermöglichen. Andreas Grieß, Landestrainer Lauf, verwies in diesem Zusammenhang auf den Hindernis-Lehrgang und die Lauf-Trainerstammtische, die er unter diesem Gesichtspunkt als Best-Practice-Modelle bezeichnete, betonte aber zugleich, dass diese aktuell nur dank rein ehrenamtlichen Zeitinvestments und Unterstützung seines Vereins möglich seien. Daraus entstand die Idee, dass insgesamt durch vereinsübergreifende Kooperationen ein mehr an Betreuung und ein Wissensaustausch stattfinden könne.
Darüber hinaus wurde deutlich, dass neben der C-Trainerausbildung im Bereich Leistungssport (Grundlagentraining) auch eine für die Kinderleichtathletik gewünscht ist. Auch im Feld der B-Trainerausbildungen gibt es Bedarf seitens der Vereine. Hier wird es nötig sein, diesen genau zu quantifizieren, um in Anschluss in Kooperation mit benachbarten Landesverbänden entsprechende Ausbildungen anzuschieben.
Dialog geht weiter
Bereits zum Auftakt der Veranstaltung hatte Ingo Schulz betont, dass er die Leistungssportkonferenz als Auftakt eines Dialoges ansehe. Im Nachgang sollen die Ergebnisse nun zusammengetragen und in den Gremien evaluiert werden, um in kleineren Gesprächsrunden im Laufe des Jahres konkrete Ziele oder sogar Maßnahmen besser abstimmen zu können, die Teil des neuen Leistungssportkonzeptes werden können.
(Andreas Grieß)